Heimische Wildnis entdecken
Nicht nur Menschen, sondern auch viele heimische Wildtierarten suchen die grüne Oase mitten in der Stadt gerne auf oder lassen sich hier nieder – ob Vögel, Säugetiere oder Insekten.
Während die Rotfüchse eher des Nachts unterwegs sind, sieht man tagsüber viele Eichhörnchen über die Wege flitzen, ständig auf der Suche nach Früchten und Sämereien. Die Wilhelma mit ihrem alten, artenreichen Gehölzbestand bietet den Kleinnagern ideale Bedingungen. Auch einige Fledermausarten, wie der Große Abendsegler oder die Zwergfledermaus, gehören zu den im Wilhelma-Park heimischen Baumbewohnern. In lauen Sommernächten jagen die ultraschallbewehrten Insektenfresser über Wiesen und Wasserflächen, zwischen Bäumen und Sträuchern. Die kalte Jahreszeit verschlafen sie dicht aneinandergedrängt in Baumhöhlen und in Spalten an Gebäuden.
Auch für viele, teils seltene Vögel stellen die Wilhelma, der benachbarte Rosensteinpark und der Schlossgarten einen sicheren Lebensraum dar. Über 90 Arten wurden allein in der Wilhelma schon beobachtet. Ein Großteil davon brütet auch hier. Höhlenbrüter – also Vögel, die ihre Jungen in Baumhöhlen großziehen – finden außer in natürlichen Höhlen der vielen alten Bäume auch in zahlreichen Nistkästen geeignete Brutplätze. Erwähnenswert ist vor allem die Hohltaube, deren Anwesenheit oft nur dank ihrer dumpfen, zweisilbigen Rufe auffällt. Teichhühner bevorzugen dagegen die großen Blätter der Seerosen als Brutplatz. Dazu gesellen sich Arten, die man normalerweise nur aus der freien Kulturlandschaft kennt. Zum Beispiel der Feldhase, dessen Spuren auf der großen Rasenfläche zwischen Lindenallee und Wintergarten häufig zu finden sind.
Was den Zoologisch-Botanischen Garten für viele Wildtiere ebenfalls attraktiv macht, ist ihr stets reich gedeckter Tisch. Ein gutes Beispiel: die Seelöwenfütterung. Hier warten nicht nur Seelöwenbulle Unesco und Co. auf den den Eimer voller Fisch. Auch zahlreiche Graureiher versuchen, einen Leckerbissen zu ergattern. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Pinguinen und Pelikanen. Waren Graureiher in Deutschland in den 1970er Jahren fast ausgestorben, haben sich ihre Bestände wieder gut erholt. In der Lindenallee beziehen die Schreitvögel mittlerweile um die 40 Nester.
Wilde Pflanzenwelt
Lange vor der Zeit der Wilhelma schlängelte sich der Neckar durch einen grünen Auwald, gesäumt von mit Eschen bewachsenen Hängen. Auf den trockenen Hochflächen wuchsen charakteristische Hallenbuchenwälder, in welchen nur selten ein Sonnenstrahl den Waldboden erreicht. Als stummer Zeuge verströmt noch heute der Bärlauch in jedem Frühjahr seinen würzigen Duft und begrüßt die Wilhelma-Gäste bereits am Parkhaus. Daneben blüht der Hohle Lerchensporn in herrlichem Weiß und Violett. Beides sind typische Bewohner der Hartholzauen, die sich hier einst ausdehnten.
Wo heute Mammutbäume ihre Wipfel in den Himmel strecken, wächst zudem die Zwiebel-Zahnwurz, ein unscheinbares Kraut, das seit Urzeiten an das Leben in lichtarmen Hallenbuchenwäldern angepasst ist. Das sind nur drei von mittlerweile über 250 in der Wilhelma nachgewiesenen Wildpflanzenarten, wozu mit dem unauffälligen Zweiblatt sogar eine Orchideenart gehört.
Andere Wildtiere bevorzugen eine andere Form der „Jagd“ und haben sich auf der Suche nach Leckerbissen gleich auf das Wilhelma-Restaurant spezialisiert – schließlich fällt hier immer etwas ab. Vor allem die frechen Haussperlinge lauern an den Tischen auf jeden herabfallenden Krümel. Während der Bestand der Sperlinge, einer Unterfamilie der Webervögel, insgesamt zurückgeht, bilden sie in der Wilhelma eine der größten und stabilsten Populationen der Region.
Dass so viele bepelzte und gefiederte Wildtiere in der Wilhelma ein einmaliges Refugium finden, ist jedoch kein Wunder. Ihre Lage inmitten der Stuttgarter Grünanlagen macht sie ökologisch besonders wertvoll: als tierischen Lebensraum, im Dienste des Klimas und nicht zuletzt als Erholungsort für zahlreiche Besucherinnen und Besucher. Wie man sieht, kommen die Tiere sehr gut alleine klar und sollten deshalb nicht gefüttert werden.
Artenschutz vor der eigenen Haustür
Nistplätze in exotischer Nachbarschaft
Offene Ställe bieten hervorragende Nistplätze für Schwalben. In der Wilhelma haben Rauchschwalben ihre kugeligen Lehmnester hoch über den Köpfen von Alpakas, Schraubenziegen und Rindern in die Stallecken gebaut. Im Schlammbad der Elefanten und in den Pfützen der umliegenden Gehege finden sie Lehm als Baumaterial. Insekten jagen die Schwalben im angrenzenden Rosensteinpark, am nahen Neckar und auf den vielen Blühflächen des Zoos und Botanischen Gartens. Für die Versorgung ihrer Jungen ist jedes Schwalbenpaar auf etwa ein Kilogramm Insekten pro Saison angewiesen.
Damit die Schwalbenschar weiterwächst, haben wir damit begonnen, künstliche Nisthilfen anzubringen. In den Stallungen der Yaks, Trampeltiere und Mesopotamischen Damhirsche gibt es zusätzliche Nisthilfen für die einzeln nistenden Rauchschwalben. Am Trampeltierstall und am ehemaligen Straußenstall können Mehlschwalben-Familien Kunstnester an der Außenfassade beziehen. Für die in Kolonien brütenden Mehlschwalben wurden 16 Nester installiert.
Neues Land für Schmetterlinge
Gemeinsam mit dem BUND-Kreisverband Stuttgart haben wir auf mittlerweile 13 ausgewählten Wiesen in der Stadt bunte Oasen für Schmetterlinge geschaffen. Die insgesamt fast sechs Hektar werden insektenfreundlich bewirtschaftet und nur noch höchstens zweimal im Jahr gemäht. Zudem wurden an ausgewählten Stellen Wildkräuter gezielt angesät.
Herz und Hand des Schmetterlingsprojektes sind der Fachbereich Parkpflege der Wilhelma, der das naturnahe Pflegekonzept umsetzt, und die BUND-Aktiven. Freiwillige Kartierer*innen beobachten alle zwei Wochen im Sommerhalbjahr die Falter auf den Schmetterlingswiesen. Seit Projektstart im Jahr 2010 haben sie 52 verschiedene Falterarten gezählt. Die Artenvielfalt auf den so gepflegten Flächen ist somit deutlich größer als auf Vergleichsflächen, bei denen die Nutzung nicht angepasst wurde. Mit dem Himmelblauen Bläuling und Malven-Dickkopffalter leben hier auch zwei Falter, die in Baden-Württemberg gefährdet sind. Der Segelfalter ist im Südwesten sogar stark gefährdet.